Archiv für den Monat: Mai 2017

MM4 — Stimmen hoeren

ReiseDerSeele4
Mit welchem von diesen Bergfuehrern moechtest Du am liebsten zu einer Mondexpedition aufbrechen? — Den einen kann ich fuer diesen Job leider gar nicht empfehlen und die 6 anderen sind schon seit laengerer Zeit tot.

RadioDifficulture 29. Januar 2017, 21.45 SO21, RadioLoRa 97.5 MHz : Die Reise der Seele
Die vierte Folge aus der Lebensgeschichte von Marie Métrailler
ReiseDerSeele4 als MP3 hoeren

In meiner Sendung steht nach einem kleinen und sehr provisorischen Exkurs zum Hoeren von Stimmen wieder die Stimme von Marie Metrailler im Zentrum. Sie wird vorgetragen durch meine Stimme, aus dem Interviewbuch von Marie Madeleine Brumagne vorlesend.


STIMMEN HOEREN . . .
Es gibt verschiedene Moeglichkeiten, dass Stimmen hoerbar werden: die erste ist, dass da tatsaechlich eine Stimme spricht. Ich hoere die Stimme eines Menschen, der seine Stimmbaender zum Klingen bringt — ich nenne dies hier zuerst Gesang, — weil die Stimme bevor sie anfaengt Sprache zu tragen, egal ob monoton oder melodioes — einfach nur GESANG ist.
Der Mensch, dessen Stimme ich hoere, weitet nicht nur die Resonanz seines Koerpers aus, sondern er legt ueber codierte, also abgemachte Modulationen der Stimme Bedeutungen in seinen Gesang. Es kann sein, dass ich die Sprache, die der da spricht verstehe, dann hoere ich nicht nur die Stimme, sondern nehme auch die Bedeutungen wahr, dass heisst ich nehme erst die Sprache wahr. Dass es je Menschen gab, die noch gar keine Sprache kannten, koennen wir uns schwer vorstellen — wohl waren wir damals noch nicht Menschen im heutigen Sinn. — Vielleicht eben noch Tiere, die kurz davor standen, Menschen zu werden.

In einer relativ neuen Variante entstuende nun die Stimme und ihre Bedeutungsebene nicht in meiner Gegenwart, sondern sie waere in einem akustisch-technischen Speichermedium konserviert. — Zum Beispiel hoere ich Aleister Crowley, wie er 1920 in einem Raum spricht, in dem ich selber nie war. Ueber eine Aufnahme, die damals gemacht wurde, verbinde ich mein Ohr mit diesem Raum. Der magnetische Draht oder ein Tonband sind die Zeitmaschine, die mich jetzt in diesen Raum katapultiert. — Oder: Meine vorproduzierte Sendung dringt ueber die radiotechnischen Medien: vom Moment in dem ich das aufnehme zum Abspielgeraet, Kabeltransmission, Uetliberg-Sendeturm — durch den magischen Aether — zum Radioempfaenger bis in Deine Ohren, liebe Hoererin, lieber Hoerer. — Eine zweite Moeglichkeit, die ich beschreiben will, kommt aus dem Rauschen. So aehnlich, wie ich im Schwarzen Quadrat Malewitschs alle moeglichen Bilder und Texte enthalten sehen kann, waeren moeglicherweise in diesem Rauschen alle moeglichen Stimmen und Erzaehlungen enthalten. Das Regenprasseln auf das Blechdach der Zapporthuette hat eine Klangstruktur, die der einer duercheinander sprechenden Menge von Menschen sehr aenhlich ist.

Meine Wahrnehmungsorgane, sind nun faehig, Dinge fuer Wahr zu nehmen und andere auszublenden. Also so einfach gesehen nimmt meine Wahrnehmung aus all den Moeglichkeiten eine heraus, hoert sie, und den Rest des Rauschens legt sie zu den unwahren Dingen, — auf den Muellhaufen der Unterscheidung zwischen Wahrheit und Moeglichkeit. Wenn mein Gehirn vielleicht durch Sehnsuechte oder Aengste — die die Urspruenge meiner Phantasie sind — dazu neigt, gewisse Dinge hoeren zu wollen, dann bietet ihm das Rauschen der Regentropfen auch die Moeglichkeit, sie tatsaechlich zu hoeren.

Eine dritte Moeglichkeit ist der Traum, oder die Halluzination. Halluzinationen — man kann sie auch Traeume im Wachzustand nennen — waeren Projektionen aus der Phantasie, praktisch Filme und Audiospuren, die aus unserem Inneren her auf die Sinnensorgane wirken und durch unsere Wahrnehmung als Wahr angenommen werden. Wir koennne sie nicht von der Wirklichkeit, die auch fuer andere sichtbar ist, unterschieden. — Vielleicht wird es irgendwann gelingen, Traeume visuell von der Netzhaut der Augen oder aus dem Nervensystem abzufilmen, wenn z.B. die lichtempfindlichen Rezeptoren denn auch dabei tatsaechlich ein kleines bisschen leuchten wuerden. — Oder wir lernen, die Schwingungen und Stimmen die wir im Traum hoehren, als akustische Signale vom von Inneren her in Schwingung gebrachten Trommelfell abzutasten.

Diese Moeglichkeit waere also eine Resonanz aus dem Koerperinneren. Ob dazu schliesslich auch aussere geistige Entitaeten einen Beitrag leisten, kann nur Gegenstand von Spekulationen sein. Die Geister sind genuin immateriell. Sie koennen also auch durch kein Messgeraet nachgewiesen werden. Am ehesten noch von allen Messgeraeten, wuerde sich der menschliche oder auch tierische Koerper selbst dazu eignen, Schwingungen aus einer immateriellen Welt wahrzunehmen. Da aber die menschlichen Koerper als Messgeraete nicht durch die Wissenschaften anerkannt sind, bleiben diese Untersuchungen immer unwissenschaftlich. — Es sei denn wir wuerden das Erleben dem Erkennen gleichstellen

Die Stimmen, die in der Sendung zu hoeren sind, sind allesamt erzeugt durch lebende Organismen. Infolge der elektromagnetische Uebertragung durch den Radioaether muessten sie aber vielleicht doch eher der Gruppe der Illusionen oder Halluzinationen zugeordnet werden. Durch die digitalen Codes meiner Sendedaten sprechen diesmal: Aleister Crowley, die bloekenden Schafe der Alp Zapport, Hinterrhein, der Musiker Jonas (Galopp — learning on a honey cube — Siehe: Sondcloud — Galopp), und Bob Weir (Graetful Dead)

BERICHT AUS EVOLENE:
Metrailler erzaehlt von der starken Resonanz des Genius Loci des Val d’Hérens, der u.a. moeglicherweise auch von den mannigfaltigen Metallerzvorkommen des Untervallis herruehrt. Und sie beschreibt ein Leben an einer Zeitschwelle zwischen jahrhundertealten oekonomischen Strukturen und der Modernisierung des 20. Jahhunderts: zur Debatte stehen Selbstversorgung, laendliche Kooperation, Spiritualitaet/Medien und Religion. — Im Buch, das ich mir als roten Faden durch eine Reihe meiner RadioDifficulture-Sendungen vorgeknuepft habe, steht immer auch die Lebendigkeit der Beziehung zu den Sphaeren des Geistes im Mittelpunkt.

Des Geistes — oder der Geister?